DeusEx 2
Fortsetzungen sind Mist, immer, jedenfalls immer dann, wenn man das
Vorgänger-Spiel vergöttert hat. Andernfalls, das ist jedenfalls in
der Regel mein Anspruch, sollte einen auch kaum etwas dazu motivieren
können, einen nachfolgenden Titel mit dem gleichen Namen zu kaufen und
zu spielen. Ich meine, an dem Punkt angekommen zu sein, so viel (negative)
Erfahrungen mit Fortsetzungen gemacht zu haben, daß ich pauschal sagen
kann, alle Fortsetzungen seien Mist.
NG Resonance - Der holographische Superstar am Pop-Himmel
Für mich war das Faß mit DeusEx 2 voll, weil ich DeusEx (Ausgabe Nr.
1) wegen exakt der Art von "Gameplay" mag, welche das Spiel
ausmacht, wegen des Looks, der Steuerung, der langen philosophisch
angehauchten Dialoge über Staat und Demokratie, wegen all seiner
Stärken und Schwächen. Aber all das soll nun nicht für
jeden gelten, das ist meine persönliche Meinung.
DeusEx 2 ist ein gutes Spiel, nur leider wurde mir ein anderes Erlebnis zu Teil
als der Name es verheißen ließ. Allerdings wurden nicht nur
meine eigenen Verheißungen, die ich mir nach geschätzten
120+ Stunden dx1 und langer Wartezeit, bis ich endlich Gelegenheit
hatte, den 2. Teil zu spielen, erträumt hatte, nicht erfüllt: Ich
erinnere mich noch recht genau an ein Interview mit Harvey Smith, Chef vom
Dienst bei dx2, auf der GamesConvention. Dort war zwar von einer kurzen
Spielzeit die Rede, aber ich dachte da nicht an die 14 (in Worten: Vierzehn)
Stunden, die ich inklusive aller Neben-Quests und ohne Hetzerei gebraucht
habe - Ich war
not amused, nicht sehr DeusEx-like, Mr. Smith! Es
hieß, daß es sich dadurch ausgliche, daß es verschiedene
Lösungswege gäbe, die sich eindeutig unterscheiden würden..
Leider verhielt es sich ähnlich wie in dx1: Am Ende jeder Mission
entscheidet man sich, welcher Partei man seine Unterstützung zukommen
läßt, was sich meist darauf beschränkt, Objekte oder
Informationen auszuliefern oder zu vernichten oder eine Person zu
beschützen oder zu begraben. Auf das weitere Verhalten der NPCs hat das
leider keinen all zu großen Einfluß. Auch wenn man einer Partei
durch sein Handeln einen riesigen Stein auf den Weg rollt, nehmen sie es
ziemlich gelassen auf. Das muß auch so sein, kann man sich doch ganz
am Ende - Bäumchen wechsle dich - noch für eine ganz andere Seite
entscheiden, um dann jeweils einen der vier Abspänne anzusehen.
Alte Bekannte
Es bleibt also fast alles beim alten.. Man startet als Rekrut oder Rekrutin
Alex D (löblich!) der Tarsus-Akademie und gerät ziemlich schell
zwischen die Fronten der verschiedenen Fraktionen, die ihre ganz eigenen
Interessen mit einem verfolgen. Religiöse Fanatiker zerstören
Chicago, von wo aus man gerade noch rechtzeitig evakuiert wird, und greifen
auch die neue Zuflucht in Seatle an. Während sich nun die Ereignisse
überschlagen, erfährt man, daß man Teil eines gentechnischen
Experimentes der Tarsus-Akademie gewesen ist, genauer gesagt ein Klon unter
ständiger Beobachtung von Wissenschaftlern. Aufmerksame Zeitgenossen
dürften schon im letzten Level des ersten Spiels Bekanntschaft mit
einer Person namens Alex Denton in einem Flüssigkeits-Behäter
gemacht haben.
Trau‘ keiner KI!
Bald erfährt man als Spieler, welche Ereignisse sich in der
Vergangenheit zugetragen haben, nämlich, daß ein gewisser JC
Denton vor 20 Jahren die Welt in den Abgrund gestoßen hat, indem er
das globale Kommunikations-(und Überwachungs-)netz zerstört und
ist mit einer Künstlichen Intelligenz fusioniert. Trotz allem sind die
Illuminaten schon wieder beim Griff nach der Macht in den
einflußreichsten Positionen.
Es wurden alle drei unterschiedlichen Endungen des ersten DeusEx in einen
Topf geworfen und gut verquirlt, sodaß der Plot beider Spiele keinen
Sinn mehr ergibt, was am Ende von DeusEx noch unumstößlich war,
soll nun wieder ganz andere Konsequenzen gehabt haben. Zu diesem Zeitpunkt
hätte ich eigentlich die DVD aus dem Laufwerk nehmen und
stattdessen wieder einmal ein gutes Buch zur Hand nehmen sollen..
Wie schon gesagt sind es für mich die Kleinigkeiten, mit denen dieses
Spiel kaputt optimiert wurde: Zwar kann man nun auch ordentlich schleichen
und sich im Schatten den Blicken der patroullierenden Wachen entgehen, doch
fehlte mir leider all zu oft in den engen Gängen die Motivation dazu, den
Gegnern aus dem Weg zu gehen. Das fiel mir vorher durch das weiträumige
Gelände deutlich leichter. Dank der vereinfachten Steuerung kann man
leider auch nicht mehr um die Ecke schauen - und das bei einem Spiel dessen
Mitentwickler Warren Spector als Vater des Stealth-Genre gilt.
Ich konnte mich nicht so richtig in die Welt des spiels hinein versetzen,
weil es einem oftmals zu einfach gemacht wurde, alles etwas zu vorhersehbar
war. Es hat für mich einfach keinen Reiß, Kisten und
Schränke zu öffnen, wenn ich schon durch ein Glasfenster den
Inhalt erkennen kann. Ich habe es im ersten Teil geliebt, alles
auszuprobieren, mich durch Berge von
(oft ziemlich banalen) Information in geknackten Computern zu lesen oder die
Kombination einer unscheinbaren aber verheißungsvollen Tür
auch mal zu erraten. Das hat die Glaubwürdigkeit des Spiels ausgemacht
und mich motiviert, mich intensiver mit den Charaktären und der Story
zu beschäftigen und die offensichtlichen Wege zu verlassen und das war
es auch, was ich in DeusEx 2 schmerzlich vermißt habe.
Ein verirrter Combine, oder doch nicht?
Mein DeusEx-Universum hat durch dieses Spiel leider einen ziemlichen
Riß abbekommen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß ich um die
Nachfolger anderer mir lieb gewordener Spiele wie Starcraft oder Diablo
einen großen Bogen machen werde und empfehle deshalb allen
Interessierten, sich die Frustration zu ersparen und mit dem originalen
DeusEx vielleicht wieder ein Mal ein wenig Retro-Feeling aufkommen zu
lassen.