Dezember 01, 2005 8:49

DeusEx 2

Fortsetzungen sind Mist, immer, jedenfalls immer dann, wenn man das Vorgänger-Spiel vergöttert hat. Andernfalls, das ist jedenfalls in der Regel mein Anspruch, sollte einen auch kaum etwas dazu motivieren können, einen nachfolgenden Titel mit dem gleichen Namen zu kaufen und zu spielen. Ich meine, an dem Punkt angekommen zu sein, so viel (negative) Erfahrungen mit Fortsetzungen gemacht zu haben, daß ich pauschal sagen kann, alle Fortsetzungen seien Mist.
DeusEx 2 - Screenshot NG Resonance - Der holographische Superstar am Pop-Himmel
Für mich war das Faß mit DeusEx 2 voll, weil ich DeusEx (Ausgabe Nr. 1) wegen exakt der Art von "Gameplay" mag, welche das Spiel ausmacht, wegen des Looks, der Steuerung, der langen philosophisch angehauchten Dialoge über Staat und Demokratie, wegen all seiner Stärken und Schwächen. Aber all das soll nun nicht für jeden gelten, das ist meine persönliche Meinung.
DeusEx 2 ist ein gutes Spiel, nur leider wurde mir ein anderes Erlebnis zu Teil als der Name es verheißen ließ. Allerdings wurden nicht nur meine eigenen Verheißungen, die ich mir nach geschätzten 120+ Stunden dx1 und langer Wartezeit, bis ich endlich Gelegenheit hatte, den 2. Teil zu spielen, erträumt hatte, nicht erfüllt: Ich erinnere mich noch recht genau an ein Interview mit Harvey Smith, Chef vom Dienst bei dx2, auf der GamesConvention. Dort war zwar von einer kurzen Spielzeit die Rede, aber ich dachte da nicht an die 14 (in Worten: Vierzehn) Stunden, die ich inklusive aller Neben-Quests und ohne Hetzerei gebraucht habe - Ich war not amused, nicht sehr DeusEx-like, Mr. Smith! Es hieß, daß es sich dadurch ausgliche, daß es verschiedene Lösungswege gäbe, die sich eindeutig unterscheiden würden.. Leider verhielt es sich ähnlich wie in dx1: Am Ende jeder Mission entscheidet man sich, welcher Partei man seine Unterstützung zukommen läßt, was sich meist darauf beschränkt, Objekte oder Informationen auszuliefern oder zu vernichten oder eine Person zu beschützen oder zu begraben. Auf das weitere Verhalten der NPCs hat das leider keinen all zu großen Einfluß. Auch wenn man einer Partei durch sein Handeln einen riesigen Stein auf den Weg rollt, nehmen sie es ziemlich gelassen auf. Das muß auch so sein, kann man sich doch ganz am Ende - Bäumchen wechsle dich - noch für eine ganz andere Seite entscheiden, um dann jeweils einen der vier Abspänne anzusehen.
DeusEx 2 - Screenshot Alte Bekannte
Es bleibt also fast alles beim alten.. Man startet als Rekrut oder Rekrutin Alex D (löblich!) der Tarsus-Akademie und gerät ziemlich schell zwischen die Fronten der verschiedenen Fraktionen, die ihre ganz eigenen Interessen mit einem verfolgen. Religiöse Fanatiker zerstören Chicago, von wo aus man gerade noch rechtzeitig evakuiert wird, und greifen auch die neue Zuflucht in Seatle an. Während sich nun die Ereignisse überschlagen, erfährt man, daß man Teil eines gentechnischen Experimentes der Tarsus-Akademie gewesen ist, genauer gesagt ein Klon unter ständiger Beobachtung von Wissenschaftlern. Aufmerksame Zeitgenossen dürften schon im letzten Level des ersten Spiels Bekanntschaft mit einer Person namens Alex Denton in einem Flüssigkeits-Behäter gemacht haben.
DeusEx 2 - Screenshot Trau‘ keiner KI!
Bald erfährt man als Spieler, welche Ereignisse sich in der Vergangenheit zugetragen haben, nämlich, daß ein gewisser JC Denton vor 20 Jahren die Welt in den Abgrund gestoßen hat, indem er das globale Kommunikations-(und Überwachungs-)netz zerstört und ist mit einer Künstlichen Intelligenz fusioniert. Trotz allem sind die Illuminaten schon wieder beim Griff nach der Macht in den einflußreichsten Positionen.
Es wurden alle drei unterschiedlichen Endungen des ersten DeusEx in einen Topf geworfen und gut verquirlt, sodaß der Plot beider Spiele keinen Sinn mehr ergibt, was am Ende von DeusEx noch unumstößlich war, soll nun wieder ganz andere Konsequenzen gehabt haben. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich eigentlich die DVD aus dem Laufwerk nehmen und stattdessen wieder einmal ein gutes Buch zur Hand nehmen sollen..
Wie schon gesagt sind es für mich die Kleinigkeiten, mit denen dieses Spiel kaputt optimiert wurde: Zwar kann man nun auch ordentlich schleichen und sich im Schatten den Blicken der patroullierenden Wachen entgehen, doch fehlte mir leider all zu oft in den engen Gängen die Motivation dazu, den Gegnern aus dem Weg zu gehen. Das fiel mir vorher durch das weiträumige Gelände deutlich leichter. Dank der vereinfachten Steuerung kann man leider auch nicht mehr um die Ecke schauen - und das bei einem Spiel dessen Mitentwickler Warren Spector als Vater des Stealth-Genre gilt.
Ich konnte mich nicht so richtig in die Welt des spiels hinein versetzen, weil es einem oftmals zu einfach gemacht wurde, alles etwas zu vorhersehbar war. Es hat für mich einfach keinen Reiß, Kisten und Schränke zu öffnen, wenn ich schon durch ein Glasfenster den Inhalt erkennen kann. Ich habe es im ersten Teil geliebt, alles auszuprobieren, mich durch Berge von (oft ziemlich banalen) Information in geknackten Computern zu lesen oder die Kombination einer unscheinbaren aber verheißungsvollen Tür auch mal zu erraten. Das hat die Glaubwürdigkeit des Spiels ausgemacht und mich motiviert, mich intensiver mit den Charaktären und der Story zu beschäftigen und die offensichtlichen Wege zu verlassen und das war es auch, was ich in DeusEx 2 schmerzlich vermißt habe.
DeusEx 2 - Screenshot Ein verirrter Combine, oder doch nicht?
Mein DeusEx-Universum hat durch dieses Spiel leider einen ziemlichen Riß abbekommen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß ich um die Nachfolger anderer mir lieb gewordener Spiele wie Starcraft oder Diablo einen großen Bogen machen werde und empfehle deshalb allen Interessierten, sich die Frustration zu ersparen und mit dem originalen DeusEx vielleicht wieder ein Mal ein wenig Retro-Feeling aufkommen zu lassen.

Author: nille | Permalink | Category: games