June 10, 2007 9:00 PM

Mirror, mirror on the wall

So ganz verstehe ich die Aufregung nicht. Den Spiegel oder Spiegel Online zu boykottieren, halte ich für falsch. Oder, besser gesagt, für schlicht weg nicht notwendig. Daß Sp0n immer noch die meistzitierte "Quelle" in der Blogosphäre ist, obwohl das Themen-Spektrum eng und seicht ist, und viele Fehler gemacht werden, bereitet mir keine schlaflosen Nächte.
Für mich ist der Spiegel längst Geschichte. Er ist ein Dinosaurier, der sich durch seine elaborierte Stellung nicht unter dem heran rasenden Meteor weg ducken kann. Ganz im Gegensatz zu den zwergenhaften Säugern im Netz. Von denen werden zwar immer wieder welche platt getreten, macht aber nichts, denn sie vermehren sich (zumindest im Augenblick) wie die Karnickel. Ich empfinde den Spiegel nicht mehr als ein Leit-Medium und boykottiere ihn unbewußt schon seit geraumer Zeit. Es ist nicht mehr nötig, bis Montag auf die Meinung des Spiegels zu warten, man kann täglich fünf "Leitartikel" lesen und daraus seine Meinung destilieren.
Meiner Meinung nach, kann es gar nicht genug Menschen geben, die "Klowände beschmieren". Viele werden tagtäglich das Privatleben ihrer Haustiere umgekehrt chronologisch dokumentieren, aber ein paar Blogger werden eben auch Geschichten über alte Kirchen-Gemäuer oder ein anderes beliebiges Thema, das sie interessiert, veröffentlichen. Wer fundiertes Wissen besitzt, darf in meinen Augen auch gelgentlich die Rampen-Sau spielen. Jedem, der einen schönen Text verfaßt, gönne ich die 15 (oder mehr) Minuten im Rampenlicht. Gegenseitiges Verlinken sehe ich nicht als "selbstreferentiell", sondern als alternatives Agenda-Setting an. Mehr Emanzipation unter Bloggern, weniger Links für Sp0n. Natürlich ist das hier Blog-Theorie durch die rosarote Brille. Sicherlich machen Blogger Fehler, aber die macht der Spiegel eben auch manchmal. Und der Spiegel wird garantiert nicht eine komplette Ausgabe zurück rufen und neu drucken, sollte ich einen Fehler finden und einen Kommentar in mein Heft-Exemplar schreiben. Nicht alle Blogger können eine knallhart recherchierte Expertise über die Neuausrichtung der NATO abgeben. Zum Glück! Denn ich empfinde es als Befreiung, nicht immer und überall nur Texte zu tagespolitischen Themen lesen zu müssen.
Obwohl es sich dabei nicht einmal um die Achillesferse der Blogosphäre handelt, wie die mannigfaltige Berichterstattung über die Anti-G8-Demonstrationen zeigen. Gerade bei diesem Thema haben sich die "Gualitäts-Medien" ja ziemlich blamiert. Obgleich ich der Tageszeitung, die ich seit mehreren Jahren abonniere, nichts vor zu werfen habe, haben die Artikel von Lanu, Signore Porcamadonna, Alexander Svensson & Co. meine Medien-Kompetenz deutlich mehr geschult.
Durch sie habe ich gelernt, kritisch nachzufragen, wenn mir jemand etwas von "Technosexualität" erzählen will. Vielen Dank dafür, macht weiter so!

Author: nille | Permalink | Category: thoughts