November 13, 2007 5:53 AM

GT

Jetzt ist der Spaß vorbei: Die Klassen, die mir liegen, habe ich schon vor Stunden abgeschlossen. Natürlich mit Gold und meist im ersten Anlauf. Die gebraucht Standard-Karre wurde so bald wie möglich in Zahlung gegeben, um den 92er GTO Bi-Turbo anzuschaffen - und natürlich auf sagenhafte 928 Pferdestärken aufzumotzen.
Dieses allradgetriebene Geschoss verzeiht jeden Fahrfehler, man kann es quer durch jede Kurve schieben und ist binnen weniger Augenblicke wieder mit 250 Sachen unterwegs. Für den Einstieg nach fast 10 Jahren Abstinenz ist das zwar ganz nett, aber der Reiz von Gran Turismo liegt woanders. Der GTO sollte Erinnerungen wachrufen, an Zeiten, in denen meine Freunde und ich es gern in Kauf nahmen, in der Vorweihnachtszeit von unserer Klassenlehrerin, die gerade im Spielwaren-Geschäft Geschenke für ihre eigenen Kinder einkaufte, beim Schwänzen der Schule erwischt zu werden, weil wir um jeden Preis einen Blick auf das neuste Spiel für den MegaDrive erhaschen mußten (welches M. von seiner Mutter zu Weihnachten bekommen sollte, vorher entdeckte und am Heiligabend längst durchgespielt hatte und deshalb dann furchtbar enttäuscht war). Bald giere ich nach einer neuen Herausforderung - Die internationale A-Lizenz muß her. Jedoch verlangt diese Prüfung einem absolute Perfektion ab, dagegen waren alle bisherigen Rennen ein Kinderspiel.
Aber genau das war es, was mich damals wochenlang vor dem Bildschirm gefesselt hat: Das Fahrzeug und die Strecken perfekt zu beherschen, den optimalen Bremspunkt vor jeder Kurve zu kennen und optimal zu treffen, um mit Vollgas herausbeschleunigen zu können, an jeder Stelle des Rundkurses die maximale Geschwindigkeit zu erreichen, gerade so viel Gas zu geben, daß die Reifen noch ein Quäntchen Haftung behalten und nicht wegrutschen, den richtigen Anstellwinkel für den Spoiler und die Abstimmung, die am besten zu seinem Fahrstil paßt, zu finden. Bis dahin ist es allerdings ein langer Weg. Immer wieder drehe ich mich mit meiner 680 PS-Viper GTS-R an der gleichen Stelle und fliege von der Strecke, was natürlich jegliche Hoffnungen auf den Gewinn des Cups begräbt.
Es sieht aus, als sei es unmöglich, die brachiale Kraft dieses wilden Biestes zu bändigen, geschweige denn es kontrolliert durch eine Schikane zu maneuvrieren. Doch wenn man das Spiel wirklich meistern möchte, führt kein Weg dran vorbei, es wieder und wieder zu probieren, bis der Kopf ausgelaugt ist, die Muskeln steif vor Anspannung und die Daumen durch die Reibung mit dem Controller heiß werden. Doch die Zeit arbeitet für einen und bei jedem Durchgang stellt man, ohne wirklich darauf zu achten, eine neue Bestzeit auf, von der man eine Stunde zuvor noch nicht einmal zu träumen gewagt hatte.
Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, an dem man es packt und die perfekte Runde hinlegt. Und noch eine. Und noch eine. Als endlich der kleine goldene Pokal im Menü über dem Rennen erscheint, hüpfen die Endorphine von Synapse zu Synapse und machen mir weiß, ich könnte Bäume versetzen und Berge ausreißen und die Anspannung fällt von mir ab wie draußen das Laub von den Ästen...

Screenshot - Gran Turismo


Author: nille | Permalink | Category: games