Prey macht den
Larry, bäckt ganz große Brötchen, protzt, klotzt, trägt ziemlich dick auf,
und das in fast allen Bereichen des Spiels.
Innerhalb der ersten paar
Minuten nötigt einen Prey, in der Haut des Protagonisten Tommy in einem
Disput mit zwei Truckern um den Themenkomplex: "Wer darf meine Freundin
anlangen?" mit einer meterlangen Rohrzange zu argumentieren.
Gleich
darauf wird Tommy mitsamt Freundin Jen, seinem Großvater, der, wie es sich
für einen alten Mann vom Stamm der Cliché-Indianer gehört, ständig einen
weisen Spruch auf den Lippen hat, sowie der gesamten Bar, in der sich die
Gruppe befindet, in ein enorm großes, kugelförmiges, grün leuchtendes
Alien-Raumschiff gebeamt.
Um, das muß man sich auf der Zunge zergehen
lassen, sie zu kleinen würfelförmigen Häppchen zu verarbeiten!
So weit, so Alibi-Plot. Macht aber nichts, denn die Entführung seiner
Liebsten versetzt einen als Spieler in die richtige Stimmung, um in den
nächsten acht bis zehn Stunden in traditioneller Shooter-Manier eine Menge
feindselige Außerirdische in die ewigen Jagdgründe zu schicken. In der
letzten Stunde jedoch wirkt die Story mit ein paar vorhersehbaren,
unspektakulären Wendungen sehr aufgesetzt. Das wird nur dadurch wettgemacht,
daß Tommy ziemlich in Rage gerät und anfängt zu fluchen wie ein
Seemann.
Nachdem er über weite Strecken ungefähr so viel Charisma
ausstrahlte wie ein Holzklotz, macht es riesig Spaß, ihm dabei zuzuhören,
wie er sich hämisch freut, wenn er dem ominösen Keeper einen weiteren (im
übertragenen Sinne) Schlag in die Magengrube beibringen kann.
Was die Kernelemente des Spiels anbelangt, serviert Prey gut bürgerliche
Küche. Auf dem Waffen-Menü stehen 7 verschiedene Gänge, deren
Charakteristika jeder Person, die schon das eine oder andere Action-Spiel
gespielt hat, nicht nur geläufig, sondern wahrscheinlich in Fleisch und Blut
übergegangen sein werden: MP, Sniper-Gewehr, Granaten, Rocket Launcher,
Shotgun, Gatling-Kanone & Co. haben in Prey eine, wenn auch ziemlich
bunte, Entsprechung gefunden.
Die Level in Prey bestehen wie die
seines Stiefbruders Doom 3 häuptsächlich aus engen Gängen, in denen einem
das Vorwärtskommen durch plötzlich spawnende Gegner, Schalter-Rästel oder
Vehikel-Passagen erschwert wird. Als Immersions-hungriger Spieler war ich
ein wenig enttäuscht, daß es weniger geheime Verstecke und Gimmicks zu
entdecken gab als in Doom 3.
Ok, jetzt wissen wir: Prey ist ein solider Shooter, der so auch fünf oder
zehn Jahre früher hätte erscheinen können... Wenn es nicht einige Aspekte
gäbe, und jetzt komme ich auf den Anfang zurück, die Prey großartig und
besonders machen:
Erstens gibt es Portale. Die man jedoch leider nicht zu
seinem Vorteil nutzen kann. Anstatt aus einer dunklen Ecke zu springen,
erscheinen im Spiel mitten vor Tommys Nase Gegner aus aufspringenden
Portalen. Andererseits kann man auch selbst durch offene Portale schreiten,
so daß man plötzlich in einem unbekannten Raum, im ungünstigsten Fall vor
einer Horde Monstern, steht und sich erst einmal umsehen und orientieren
muß, wo man sich überhaupt befindet.
Dies sorgt für ein paar nette
Schock-Effekte, man kann sich allerdings leider nicht auf einer
individuellen Route durch das riesengroße
Raumschiff oder auch nur das
aktuelle Level bewegen, wie es aus einem anderen kürzlich erschienenen
Titel bekannt ist.
Zweitens
entstehen an manchen Stellen ebenfalls Situationen, in denen man die
Orientierung verlieren kann. Dann nämlich, wenn man
(wortwörtlich, nicht
vor Frustration) an die Decke geht.
Aktiviert man einen Schalter, auf
einem Terminal oder indem man an die Decke auf einen erleuchteten Bereich
schießt, erhält man die
Möglichkeit, auf speziellen Laufstegen, die sich
an den Wänden und Decken entlang schlängeln, der Gravitation und dem
Weltraum-Ungeziefer auf den Kopf zu spucken.
Ein paar kleine Rätsel
müssen durch die Benutzung dieser Schalter gelöst werden, aber, was mich
schon länger in Sci-Fi-Shootern
stört, leider orientiert sich auch Prey
stark an weltlicher Physik und spielt sich hauptsächlich auf einer
Ebene und sehr lokal ab - Kein wildes Herumgehüpfe, -geschwebe und -gefliege
im Raum.
Der dritte Aspekt ist ebenfalls ziemlich gimmicky: Dank seines
Ethno-Hintergrundes verfügt der Protagonist Tommy über eine robuste
Gesundheit. So robust, daß, sollte er einmal unter widrigen Umständen sein
Leben verlieren, er aus der Welt seiner Vorfahren wieder in die Realität
einhauchen kann, indem er primärfarbene schemenhafte Geister mit einem Bogen
abschießt.
In einem ähnlichen Modus kann man aus seinem Körper treten und
als eine Art Geist bestimmte Barrieren überwinden, sich aus kniffligen
Situationen herauswinden und ein paar Monster mit Pfeil und Bogen aufs Korn
nehmen.
Ich finde diesen Cheat-Mode etwas unglücklich, da man ihn in der
Regel nur in Boss-Kämpfen benötigt. Ist man dort erst einmal gestorben,
stirbt man häifig auch ein zweites und drittes Mal und findet sich in einer
ähnlich ungünstigen Situation wieder.
Die Anti-Gravitations-Laufwege, Mini-Planetoide, auf die man sich durch
ein Portal transportieren lassen kann, Kisten, durch die man andere Räume
betreten kann, und der Spirit-Walk erscheinen auf den ersten Blick wie
Spielkram, um die etwas angestaubte Spielmechanik zu übertünchen.
Diese
Gimmicks leisten jedoch eine äußerst wichtigen Beitrag zum Spiel: Sie tragen
enorm zur Atmosphäre in Prey bei.
Und die ist großartig; in
der Welt von Prey ist fast alles bombastisch und exzentrisch. Die
Monster sind bullig, teilweise haushoch, ebenso die Waffen. Vieles fühlt
sich wirklich außerirdisch an, und zwar, weil viele Objekte einfach absurd
erscheinen, keinen augenscheinlichen Zweck erfüllen - alles scheint und
leuchtet in Neon-Farben, das große sphärische Raumschiff besteht teilweise
aus organischen Materialien und (hust) anatomischen Formen, die
Waffen zucken, tropfen und scheinen ein Eigenleben zu besitzen, man trifft
auf phantastische Mechanismen, die zwar in der realen Welt so niemand
entwickeln würde, aber in der Welt von Prey, in Anführungszeichen,
funktionieren.
Auch der hanebüchene Plot und das Auftreten der Aliens,
die eine komplette Bar und ein ganzes Flugzeug in ihr Raumschiff beamen,
Spielautomaten manipulieren und nebenbei die gesamte Menschheit
verspeisen wollen machen Prey zu einem abgefahrenen Erlebnis, auf das
sich 10 Jahre zu warten gelohnt hat.