April 10, 2006 9:44 PM

The Minish Cap

Ameisenfarmen haben mich immer besonders fasziniert. Als Kind habe ich mir immer eine gewünscht und natürlich nie bekommen. Heute habe ich die gleichen Ängste vor einem potentiellen Ausbruch oder, daß es sich um ein tierquälerisches Unterfangen handeln könnte, wie meine Eltern damals. Meine kindlichen Allmachtsphantasien durfte ich leider auch nie an Geräten wie GameBoy und co. ausleben, da es sich dabei für Berufspädagogen wie meine Mutter schon um Teufelszeug handelte, bevor es Begriffe wie "Killerspiel" oder erste Inkarnationen dessen (sprich DOOM) gab. Da Experimente, vergleichbar mit dem von Lisa Simpson aus der Folge, in der auf einem ausgefallenen Zahn eine mikroskopisch kleine Zivilisation wächst, die sie als Gott verehrt, regelmäßig scheiterten, verging viel Zeit bis ich mich an Spielen wie SimLife oder jetzt endlich dem wundervollen The Legend of Zelda - The Minish Cap für den GBA erfreuen durfte. Dabei ist The Minish Cap doch so schön, spannend und soooo nieeedlich! Ich hätte so eine kleine Welt in der Hosetasche jedenfalls deutlich besser gefunden als die stupiden Kinder- und Jugendbücher mit den ewig gleichen Abenteuer- und Detektiv-Geschichten, die von der stereotypen Fünfer-Jungs-Bande bestritten wurden (und den Pendants für Mädchen, in denen ersatzweise 1-2 Mädchen + Pferd oder Collie das gleiche erlebten). Sicherlich gab es damals wie heute interessantere Kinder- und Jugendbücher, aber ich behaupte einfach einmal, daß sich die wenigsten Eltern viel Mühe bei der Bücher-Auswahl ihrer Kinder machen (Das gilt wohl leider auch fürs Medium Computerspiel). The Minish Cap ist sicherlich auch kein Parade-Beispiel für einen innovativen Plot, sondern folgt eher den Nintendo-Standard-Schema von makellosen männlichen Helden (Link), der die von Bösewicht (Hexenmeister und Ex-Minish Vaati) verzauberte (versteinerte) Prinzessin Zelda retten muß.
Screenshot - The Minish Cap
In diesem Fall wiegt es allerdings nicht schwer, daß die Grundpfeiler, auf die die (Spiel-)Welt aufbaut, etwas wackelig sind. Dadurch, daß es in dieser nur auf den ersten Blick kleinen Welt an nahezu jeder Ecke etwas Neues zu entdecken, bestaunen und vor allem zu tun gibt, kommt man einfach nicht zum Grübeln. Es regt die Phantasie an, wenn nach der Lösung eines der vielen abwechslungsreichen, teils außerordentlich kniffligen, nur mit sehr kreativem Denken zu lösenden, Rätseln irgendwo eine Tür neue, vorher verborgene oder verschlossene Wege öffnet, die die Welt um eine ganz neue Dimension erweitern - Überall stößt man anfangs auf Grenzen, die man nur dadurch überwinden kann, indem man neue Techniken wie das Fliegen, Schwimmen oder Graben erlernt. Das geschieht dann auch noch auf zwei verschiedenen Ebenen, denn kann sich mithilfe der sprechenden (namengebenden) Minish-Mütze an bestimmten Orten wie z. B. Baumstämmen oder Vasen verkleinern, sodaß man viele Areale auf zwei verschiedene Arten durchschreiten kann, was einen dann auch vor ganz andere Probleme stellt (Plötzlich stellt eine Pfütze oder eine Stufe ein unübeerwindliches Hindernis dar), einem aber auch neue Pforten zu den zwergenhaften Minish, die meist verborgen in Spalten und Mäuselöchern in Gesellschaft der Menschen leben und ihnen im Geheimen helfen, aber auch den ein oder anderen Streich zu spielen pflegen.
Screenshot - The Minish Cap
In der Umgebung von Stadt und Schloß Hyrule gibt es so viel, mit dem man sich nebenbei beschäftigen kann, daß man beinahe vergißt, daß man sich eigentlich mit der Rettung der immer noch versteinerten und im Schloß versauernden Prinzessin befassen und nebenbei die vom bösen Vaati auf die Welt losgelassenen Monster verbannen sollte, indem man die vier versteckten Elemente findet und auf das Schwert der Minish überträgt. Schließ gilt es, Vaati zuvor zu kommen, der ebenfalls darauf drängt, das unsagbar mächtige Force zu finden, nur hegt der leider nicht ganz so philantropische Absichten wie wir.
Unter Gras und Büschen versteckt findet man Rubine, durch die man in der Stadt seine Ausrüstung aufbessern, aber auch dazu nutzen kann, um Tränke zu kaufen, beim Glückspiel zu verlieren, im Hotel zu übernachten oder beim Hypnotiseur gegen imaginäre Dungeon-Monster zu kämpfen, man findet mysteröse Muscheln, die zur Teilnahme an Meister Minitendos Lotterie befähigen, bei der man (so man denn unendliche Geduld besitzt) glatte 130 Sammel-Figuren gewinnen kann und schließlich gibt es viele verschiedene Glücksfragmente, die man mit den vielen anderen Einwohnern Hyrules (oft sogar mehrmals) vereinen kann, was dazu führt, daß sich vorher unsichtbare Höhleneingänge auftun, besondere Gegner spawnen, die wiederum andere Items fallen lassen, wenn man sie besiegt oder an unverhoffter Stelle Schatzkisten auftauchen. Durch das Format gewinnt das Spiel einen besonderen Reiz, man kann es dank des GameBoy Advance nicht nur überall hin mitnehmen und ist, nachdem man es eingeschaltet hat, sofort wieder "im Spiel", auch die technische Limitierung hat die Entwickler veranlaßt, auf einer auf den ersten Blick kleinen Karte so viele Möglichkeiten unterzubringen, seine Phantasie auszuleben, Neues zu entdecken und Kopfnüsse zu knacken (So schwer sind die Rätsel nicht, aber die Lösungen sind auch nicht auf Vorschul-Niveau und gleich auf den ersten Blick ersichtlich). Die Optik kann nätürlich mit keinem 3D-Action-Spiel mithalten, ist aber sehr originell. Jedoch der Umfang des Spiels schlägt jeden Durchschnitts-Shooter um Längen. Trotz viel Neuem wie Jump’n’Run- und Adventure-Einlagen fühlt es sich dennoch wie ein "Zelda" an: Man besitzt immer noch Schwert und Schild und muß sich gegen die gleichen käferartigen Monster zur Wehr setzen. Abschließend bleibt nur zu sagen, daß es sich bei The Minish Cap um das Spiel handelt, von dem ich als Kind immer geträumt habe, welches mir aber heute noch mindestens genau so viel Spaß bringt. Wo ich schon wieder beim Thema bin: Ich würde es fast bedenkenlos (m)einem Kind überlassen, lieber als das hektische eindimensionale Mario, Nintendogs oder die uninspirierten Kinderbücher, die ich früher lesen mußte - Es ist wahrscheinlich sogar einfacher für Kinder, mit ihren Freunden, Gechwistern oder Eltern darüber zu kommunizieren oder gemeinsam zu lösen, da es transportabel ist und etwas zum Vorzeigen bietet und gemeinsam in die Hand genommen werden kann.
Also, liebe Eltern, schenken! Eure Kinder werden es euch danken. (Wenn sie nicht auch lieber eine Ameisenfarm hätten ;)

Author: nille | Permalink | Category: games