October 05, 2006 4:09 PM

Gizmondo

400 Millionen Dollar wurden von den "Unternehmern" hinter dem Gizmondo, dem ehemals heiß ersehnten Handheld und potenziellen PSP/DS-Killer, verbraten.
Gizmondo Europe-Direktor Stefan Eriksson wickelte seinen geleasten Ferrari Enzo in Kalifornien um einen Strommast und besitzt eine etwas düstere Vergangenheit als Mitglied der "Uppsala-Mafia".
Ein anderer Manager hat der Firma über 100.000 Dollar für "Sekretärinnen-Dienste", die seine Freundin ableistete, in Rechnung gestellt.
Spiele-Entwickler, die man für horrende Summen angeheuert hatte, konnten oder wollten kein Produkte liefern, der Gizmondo war gestorben. Dies oder Ähnliches konnte man in der Zeitung, bei Heise und den üblichen Verdächtigen lesen - So weit, so Mismanagement und in Post-DotCom-Zeiten eigentlich recht unspektakuläre News. Doch ein aktueller Wired-Artikel läßt die Geschichte in einem ganz neuen Licht (oder besser gesagt Schatten) erscheinen. Glänzend tief recherchiert und eindrucksvoll von Marvel-Comic-Zeichner Jae Lee illustriert, wirkt die Geschichte wie eine ganz andere: Ein modernes, düsternes Märchen von globalisierten Gangstern, die es scheinbar spielend geschafft haben, Medien, Konsumenten und Investoren gleichermaßen zu blenden wie die Weber in Andersens "Des Kaisers neue Kleider". Ich kann den 6-seitigen Wirtschafts-Krimi wirklich jedem ans Herz legen, der gern spannend geschriebene, tief gehende Reportagen liest und liebt!
Dort wird nicht nur beschrieben, mit welch krimineller Energie die dubiosen Gizmondo-Leute sich systematisch bereichert und das Projekt zum Scheitern verurteilt haben, sondern auch welche abstrusen Personen und Interessen sich ebenfalls hinter dem Gizmondo verbargen und wie Eriksson & co. nicht einmal davor zurück schreckten, sich mit ergaunerten Ausweisen als "Homeland-Security-Cops" Zugang zu Schußwaffen zu verschaffen. Die Geschichte hat aber auch ein Gutes: Vielleicht braucht die Mediengesellschaft des Jahres 2006 einen Eriksson, wie dereinst die feudalen Herrschaften einen Andersen, um zu erkennen, daß man sich womöglich mit publizistischen Schnellschüssen a la Gizmondo besser zurückhielte.

Author: nille | Permalink | Category: txt, games